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Ein Gespräch mit Georg Sticha zum Fall Waris
Waris, das ist der kleine Junge, 17 Monate alt, der von einem Rottweiler ernsthaft verletzt wurde und nun auf der Intensivstation um sein Überleben kämpft. Der Rottweiler riss sich Montagabend auf dem Gehsteig in der Ziegelhofstraße von seiner alkoholisierten Besitzerin los. Die 48-Jährige hatte laut Polizei 1,4 Promille. Das Tier packte das Kind am Kopf und biss zu. Der Bub erlitt eine schwere Schädelwunde. Möglicher Auslöser: die Großeltern schaukelten das Kind während des Spaziergangs spielerisch hoch.
Der Fall hat große Bestürzung ausgelöst und Fragen aufgeworfen, daher hat sich DOnews-dieSeite mit einer Reihe von Fragen an einen gewandt, der es wissen muss. Georg Sticha, der Inhaber von „Top Dog“ in Langenzersdorf bei Wien ist Profi wenn es um das Thema Hund und Hundeausbildung geht. Der ehemalige Hundesportler ist seit vielen Jahren „Die“ Anlaufstelle für verzweifelte Hundehalter, er hat den Ruf, auch da wo nichts mehr geht, einen Weg zu finden, der Zwei-und Vierbeinern ein glückliches Zusammenleben ermöglicht. In Niederösterreich ist er Prüfer für den Sachkundenachweis, den Listenhunde in diesem Bundesland ablegen müssen. Mit Rottweilern kennt er sich bestens aus. Der perfekte Ansprechpartner für diesen Fall.
DN Der tragische Unfall mit Waris, was ist da passiert? Was kann der Auslöser sein?
GS Wenn es stimmt, was die Medien kolportieren, dass die beiden Erwachsenen das Kleinkind immer wieder hochgeschaukelt haben und man davon ausgeht, dass das Kind dabei Geräusche gemacht hat, dann kann dadurch das Jagdverhalten des Hundes ausgelöst worden sein.
DN Hätte der Hundehalter das erkennen müssen? Wenn ja, woran hätte er es erkennen können?
GS Dies zu beantworten ist schwer. Die Alkoholisierung der Hundehalterin hat ihre Wahrnehmung vermutlich eingeschränkt. Wenn zudem diese Hundehalterin noch nie in der Situation war und daher keine Erfahrung mit dem Jagdverhalten des Hundes gehabt hätte, dann wäre sie davon überrascht worden. Wenn allerdings der Hund bereits in der Vergangenheit Jagdverhalten bei Radfahrern, Joggern und dergleichen gezeigt hätte, dann hätte sie es wissen müssen
DN Könnte ein Nichthundehalter Anzeichen eines solchen Jagdverhaltens bemerken?
GS Nichthundehalter können solche Anzeichen nicht erkennen. Sie würden erst etwas bemerken wenn der Hund in die Leine springt oder sich auffällig gebärdet. Von Nicht-Hundehaltern ist nicht zu verlangen, dass sie solche Anzeichen bemerken.
DN Die Hundehalterin hatte den Hundeführschein für Wien absolviert. Hat sie da nicht gelernt worauf sie achten muss?
GS Da zur Erlangung des Hundeführscheins in Wien nur die Beantwortung theoretischer Fragen und ein kleiner Spaziergang inklusive Abrufen gewisser Prüfungssituationen von Nöten ist, kann man nicht davon ausgehen, dass damit auch nur irgendein Unfall mit Hund verhindert wird. Dieser Hundeführschein ist eine von der Politik vorgegebene unsachliche „Anlassgesetzgebung“, die dazu dient der Gesellschaft ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln. Ein weiterer Nachteil ist, da der Hundeführschein nur für bestimmte Rassen gefordert wird, dass es zu einer Stigmatisierung einzelner Hundehalter und Hunderassen kommt. Hundehalter die den Hundeführschein erfolgreich abgelegt haben, werden allerdings damit anderen Hundehaltern gleichgestellt und dürfen ihren Hund ebenso entweder mit nur mit Leine oder nur mit Maulkorb führen. Ist der Hundehalter allerdings eingeschränkt, durch Krankheit, Medikamente oder wie in diesem Fall, durch Alkohol und führt den Hund (gleich welcher Rasse), ganz legal, nur mit Leine, dann kann es zu solchen Unfällen kommen, ohne dass der Hundehalter vorher gegen das Gesetz verstoßen hätte.
DN Was wäre am Hundeführschein zu verbessern?
GS Zu verbessern wäre Folgendes: ein theoretischer Sachkundenachweis für alle zukünftigen Hundebesitzer (egal welche Hunderasse) vor der Anschaffung des Hundes. Wenn der Hund dann beim Hundehalter „eingezogen“ ist, eine weitere Schulung in Theorie und Praxis mit anschließender Überprüfung. Wichtig ist, diese Vorgabe muss für alle Hunde aller Rassen gelten, denn auch kleine Hunde können große Unfälle verursachen.
DN Gibt es zu viele unerzogene Hunde oder zu viele unerzogene Hundehalter?
GS Wenn man den Erzählungen von Hundehaltern glauben darf, gibt es viele schlecht erzogene Hunde und viele Hundehalter die ihren Hund falsch einschätzen
DN Der am Unfall beteiligte Hund war ein Rottweiler. Sie kennen sich mit dieser Rasse gut aus?
GS Nun, da ich seit ungefähr 30 Jahre Rottweiler führe, glaube ich schon, mich mit dieser Rasse auszukennen
DN Wie würden Sie einen Rottweiler beschreiben?
GS Der Rottweiler ist ein Hund der in der Regel die Eigenschaften eines Gebrauchshundes an den Tag legt, ein Hund mit „großem Herz“ (Menschenfreundlichkeit) und wenn man ihn korrekt erzieht zeigt er dieses „Herz“ auch gegenüber der Gesellschaft Mensch
DN Ist ein Rottweiler ein Stadthund?
GS Wenn man einen Rottweiler in der Stadt halten möchte, muss man ihn, wie jede andere Hunderasse auch, genügend auslasten, korrekt erziehen, korrekt führen, dann gibt es auch in der Stadt kein Probleme
DN Wie viel Auslastung braucht ein Hund?
GS Die richtige Auslastung ist individuell auf den Hund abzustimmen. Dies kommt auf seinen körperlichen Zustand an bzw. auf seine Fitness. Wie merke ich, dass mein Hund ausgelastet ist? Indem ich sehe, dass er in einem ausgeglichenen Zustand ist, zu ausgedehnten Ruhephasen kommt und sich entspannen kann.
DN Zurück zum vorliegenden Fall. Kann man einen herlaufenden Hund noch stoppen?
GS Ja es gibt Möglichkeiten einen heranstürmenden Hund zu stoppen. Es erfordert allerdings sogenanntes Hundewissen (körpersprachliche Signale) damit man auch die richtige Art und Weise anwendet.
DN Welche Möglichkeiten hat man einen Hund von seinem Opfer zu trennen?
GS Es gibt verschiedene Möglichkeiten einen Hund zu trennen. Trägt der Hund ein Halsband, dann kann man ihn daran hochziehen so dass die Vorderläufe in der Luft sind, das verunsichert die meisten Hunde so sehr, dass sie von ihrem Opfer ablassen. Bei kleinen Hunden die ein Brustgeschirr tragen kann man den Hund daran hochheben damit die Beine den Boden nicht berühren. Von Treten oder Schlagen würde ich abraten, da dadurch die Aggressivität des Hundes noch gefördert werden kann. Es gibt auch technische Hilfsmittel. Von Pfefferspray ist allerdings abzuraten, da dadurch auch das Opfer und Helfer verletzt werden können. Ein im Handel frei erhältlicher Elektroschocker kann dagegen eingesetzt werden ohne andere Beteiligte zu verletzen.
DN Der Hund war 2 Jahre alt. Kann die Attacke spielerischer Natur gewesen sein?
GS Da der Angriff und der Biss gegen den Kopf des Kindes erfolgten, gehe ich davon aus, dass es aus einem jagdlichen Zusammenhang heraus geschehen ist, also dem Jagdtrieb
DN Wäre es sinnvoll Nicht-Hundehalter, mit Schwerpunkt Eltern, das Thema Hund besser zugänglich zu machen?
GS Ich würde sagen, dass jede Aktion zu einem besseren Miteinander zu begrüßen ist. Ob man allerdings Eltern und deren Kinder schulen sollte oder nicht doch eher Hundehalter besser ausbildet sollte? Da würde ich dazu tendieren Hundehaltern mehr Einsicht, mehr Rücksicht ans Herz zu legen und sie besser zu schulen.
DN Vermenschlichen wir unsere Hunde zu sehr?
GS mag sein dass Hundebesitzer von Kleinhunderassen ihre Hunde manchmal zu sehr vermenschlichen. Allerdings seinem Hund Zuneigung zu zeigen, halte ich nicht für falsch, im Gegenteil, je mehr Bindung zum Menschen umso geringer ist die Chance, dass Unfälle mit Menschen passieren. Allerdings sollten wir in der Hundeausbildung nie aus den Augen verlieren, dass sich der Hund an die Gesellschaft Menschen anzupassen hat und nicht umgekehrt.
DN In der ersten Emotionalität werden Stimmen laut dieeine schneller Abnahme bei auffälligen Hunden verlangen und über ein Hundehalteverbot bei Verstößen gegen Leinen-oder Maulkorbpflicht nachdenken. Wie sehen Sie das?
GS Eine schnelle Abnahme der Hunde führt bestenfalls zu überfüllten Tierheimen und zu Tötungsstationen für Hunde. Es würde viel mehr Sinn machen wenn wir das Verantwortungsbewusstsein der Hundebesitzer fördern und immer wieder überprüfen würden. Bei Verstößen gegen das Leinen und Maulkorbgebot hat der Gesetzgeber genügend Möglichkeiten, Geldstrafen wären ausreichend. Allerdings muss regelmäßig kontrolliert und die Gesetze exekutiert werden.
Georg Sticha kann man hier erreichen: